Was Zalando & Co mit der Afd zu tun hat…

Was Zalando mit der Afd zu tun hat? „Was soll diese dämliche Frage“, werden die einen kontern. Die anderen hingegen mögen verwundert den Kopf schütteln und „Nichts?“ gegenfragen. Doch. Disruptive Geschäftsmodelle wie Zalando oder Amazon, aber auch globalisierte Konzerne wie H&M, Mango, Zara und Konsorten tragen einen elementaren Teil zur Radikalisierung der Gesellschaft bei. Das ist meine These.

Dass Bekleidung durch die Produktionsverlagerung in Billiglohnländer erschwinglich für alle, immer und zu jederzeit wurde, nennt man Demokratisierung. Wir aber sind weit darüber. (Und lasst uns nicht erneut über die elenden Produktionsbedingungen sprechen, das kennen wir alle nun zu genüge.) Betrachten wir es hier, bei uns: Kleine Einzelhändler sterben wie die Fliegen, weil ihnen gegenüber den stationären Global Playern die Luft ausgeht. Den Rest besorgen die Private-Equity-Heuschrecken-Holdings, die den letzten innerstädtischen m2 vergolden und somit schlichtweg unerschwinglich machen. „Also dann doch online, ab ins Internet“, wird sich der kleine, unabhängige Hersteller oder Händler entscheiden. Nur: Der kleine, feine, nicht perfekte  Onlineshop wird dank sündhaft teuerer SEO der Platzhirsche schon vor Launch ins digitale Funkloch katapultiert. Vielfalt stirbt mit jedem Tag und Einheitsbrei kleistert das letzte Fünkchen Anderssein zu.

Das bringt das eigentliche Problem mit: wo auch immer wir landen – Stockholm, Sydney, Rom oder Prag – überall sehen Innenstädte nahezu identisch aus. Der obligatorische Starbucks am besten Platz, daneben bereits erwähnte Modemarken. Man muss noch einmal aufs Ticket gucken und nachsehen, in welcher Stadt man wirklich gelandet ist. Die Globalisierung und Zentralisierung, die Konzernisierung und damit der radikale Abbau von Vielfalt bringt eine Standardisierung mit sich, die uns – zweifelsohne – die Vorteile der weltweit gleichbleibenden Qualität und der immerwährenden Verfügbarkeit und Preisattraktivität gebracht hat. Aber! Eben jene Standardisierung bringt mit, dass wir uns heimatlos fühlen. Wo ist die kleine italienische Boutique mit den ausgewählten Stücken regionaler Hersteller hin, in die ich noch vor 15 Jahren gegangen bin? Sie führt heute Unterwäsche – und heisst Hunkemöller. Was ist aus dem Wiener Cafehaus geworden, in denen die großen Dichter schon saßen? „Chailatte mit lowfat Sojamilk, double shot, Venti. Mein Name ist Sina!“ Große Ketten oder Leerstand, das ist das Ergebnis jahrelanger Fehlentwicklung im stationären Handel. Die Verlagerung und Zentralisierung ins Digitale brachte dann den Rest. Es gibt keinen landestypischen Konsum mehr. Es gibt internationalen Standard. Austauschbar. Und genau diese Standardisierung bringt mit sich, dass ein großes Stück Identität und, ja, auch regionaltypische Tradition in Form von Handwerk verlorenging und geht. Das, so glaube ich, vererbt sich auf die allgemeine Gemütslage des Menschen.

Und dann kommt die Afd. Diese Sozialnationalisten. Und reden von der notwendigen Wiedererstarkung von Wurzeln und der heimischen Identität. Diese Hetzer haben völlig anderes im Sinn, wenn es um Tradition und Identität geht, aber es fällt auf fruchtbaren Boden. Auf identitätslosen Boden eines Konsumenten, der nach Abgrenzung lechzt. Nach Vielfalt. Nach „so, wie es früher war!“. Ein bedeutender Punkt also in der Radikalisierung der Menschen, ist der Verlust von traditioneller Vielfalt. Deshalb ist man gegen sie. Gegen die menschliche Vielfalt. Denn: wenn schon alles weltweit einheitlich wird, bleibt deutsch wenigstens deutsch! Verrückt, oder?

Ich glaube an diese Beobachtung und These. Das ist der Grund, warum ich bei manomama Anfragen wie die von Zalando nach Taschen für eine Sonderaktion zum Thema (Achtung, jetzt kommt es!) „Vielfalt!“ nicht nachkomme.

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22 Antworten auf “Was Zalando & Co mit der Afd zu tun hat…”

  1. Und wie Du es selbst schreibst:

    Die Vielfalt, die oftmals als Grund angeführt wird im Netz zu kaufen, ist oftmals nur eine vermeintliche Vielfalt – zugeschüttet durch die Algorithmen der Suchmaschinen.

  2. Ein Buch von Guillaume Paoli „Die lange Nacht der Metamorphose“ hat mich veranlasst mal genau hinzu sehen wer da in den Bundestag eingezogen ist. Das sind Neoliberale alles ehemalige CDU und Mitarbeiter von Goldman Sachs. Mit „Sozial“ haben die nichts am Hut. Leider haben viele der Wähler deren Programm nicht gelesen.

  3. Ok, ich empfinde das ganz anders.

    Wenn ich heute in der Post stehe und ein Mitarbeiter mit eindeutigem Migrationshintergrund mich freundlich und zuvorkommend bedient, fehlen mir die Deutschen Postbeamten aus den 80gern kaum. Diese Erzreaktionären Gestalten, die hinter dicken Sicherheitswänden an Schaltern aus Glas saßen und mich eher mürrisch zur Kenntnis nahmen, wie eine lästige Fliege. Und ebenso bedacht mich möglichst rasch wieder zu verscheuchen.

    Tatsächlich bin ich vorgestern – als gelernter Buchhändler zum ersten Mal seit Jahren wieder in eine Buchhandlung gegangen um gezielt ein bestimmtes Buch zu kaufen. Oh Wunder, obwohl es ein etwas abseitiges special Interest Thema war, war das Buch nicht nur am Lager, die Buchhandlung war sogar so übersichtlich strukturiert, dass ich es ohne jede Hilfe selbst gefunden habe. Zwar nicht ganz dort, wo erwartet aber immerhin kein: Das kann ich Ihnen beim Großhändler bestellen ist morgen da. Wie oft ich diesen Satz seinerzeit während meiner Ausbildung selber sagen musste. Eben weil der lokale Handel für den ich arbeitete nicht bereit war, sich mit der Zeit, durch die Zeit zu bewegen.

    Die Devise, das haben wir schon immer so gemacht, die Leute wollen das so, das wird nicht geändert, hat m.E. deutlich mehr stationäre Händler den Kopf gekostet als Amazon, Zalando und all die anderen Versender zusammen es je schaffen werden. Wie oft habe ich mit diversen Buchhändlern diskutiert, dass das Wort „Buchhandel“ aus 10 Buchstaben besteht, von denen 6 „Handel“ heißen. Aber nein, die schöngeistigen „Intellektuellen“ meinten bis zum bitteren Ende, dass das Buch und sein Inhalt im Vordergrund ihrer Bemühungen zu stehen habe.

    Auch die Kritik an den Arbeitsbedingungen bei Amazon ist m.E. sicher kein Plädoyer für den stationären Einzelhandel. Ich selbst habe die Arbeitsbedingungen im stationären Einzelhandel nie so erlebt, dass ich diese für besonders „sozial“ gehalten habe. Im Gegenteil kenne ich selbst genug Einzelhändler, die bis heute stolz sind, dass es in ihrem „Laden“ keinen Betriebsrat (oder Betriebsobmann/-frau bei kleineren Läden) gibt und dass die Gewerkschaften in ihrer Firma keinen Einfluss haben: „Soweit kommt es noch, dass wir nach IG-Metall Tarif bezahlen müssen“. Oder: „Mindestlohn, wenn ich das schon höre, glaubst Du unsere polnische Konkurrenz zahlt Mindestlohn?“

    Nein, ich erlebe Amazon und Zalando als Firmen, die mir als Verbraucher gegenüber äußerst fair auftreten. Wenn ich über deren Plattform etwas bestelle – egal woher es kommt, sorgen die dafür, dass der jeweilige Verkäufer mir gegenüber die europäischen Bedingungen im Bereich Verbraucherschutz (Fernabsatz-Rücksenderecht, Garantie usw.) einhält. Das ist bei anderen Shops im Web schon mal ein Problem und wenn man sich dann nicht mit paypal (Käuferschutz) schützen kann, verzichte ich dann schon gerne mal auf eine Bestellung dort. Das hat nichts mit SEO und besserer Sichtbarkeit der großen Ketten zu tun, sondern mit der Angst als Verbraucher übervorteilt zu werden oder eben viel Lauferei und Schreiberei zu haben.

    Ich bin in meinem Leben in Deutschland ca 25 Mal umgezogen, habe in den unterschiedlichsten Regionen gewohnt und in noch mehr unterschiedlichen Regionen gearbeitet. Es gab tatsächlich in keiner dieser Regionen etwas Regionaltypisches im Einzelhandel, das ich vermissen würde. Im Gegenteil. Als wir seinerzeit (da war ich noch ein Kind) aus Mainz weggezogen sind haben mir die Laugenbrezeln gefehlt. Wenn man im Westfälischen zu jener Zeit Laugenbrezeln bekam, dann waren die alles andere als eine „frische Brezel“. Heute kann ich egal wo in Deutschland an einen Stand einer bekannten Kette gehen und bekomme dort eine frische, noch warme Brezel. Die schmeckt genau so, wie seinerzeit die Brezeln, die mein Vater mir vor fast fünfzig Jahren beim mobilen Brezelmann auf dem Mainzer Hauptbahnhof gekauft hat.

    Das Land ist offener geworden. Die Verkäuferin (wahrscheinlich die Ladeninhaberin), die noch vor Jahren ihre lokale Stammkundschaft aus der jeweiligen Stadt bevorzugt bediente und mich als (fremden) Kunden schon mal ne Viertelstunde warten ließ, weil man noch dringend über die Hämorrhoiden-OP von Opa Franz quatschen musste ist – m.E. (wegen schlechten Benehmens gegenüber der Kundschaft) zu Recht aus dem Stadtbild verschwunden. Ihr Fehlen macht es mir möglich, mich in jeder Stadt zu Hause zu fühlen, wenn ich ein Geschäft betrete.

    Was bitte soll an Landestypischem oder Regionaltypischem Konsum positiv gewesen sein? Dass die Menschen ihre Identität mit einer Region oder einem Land verknüpften? Sorry, aber wir wissen sicher beide, dass weder Land noch Region für die Identität eines Menschen irgendeine Bedeutung haben. Beides sind nur Label, die man sich aufklebt, wenn man nicht weiß wer man ist: „isch bin enne eschte Nüsser Jong“ (sagen die dann hier in Neuss). Und ich stehe hilflos daneben und frage mich, was will der mir jetzt damit sagen, dass er über sich nichts weiter weiß, als in welcher Stadt er geboren, aufgewachsen und verlottert ist?

    Eben dass die Innenstädte – was die Geschäfte betrifft – sich immer ähnlicher sehen, macht die Welt zu einem Dorf und damit lebenswert. Der Wiener Ladenbesitzer der mich noch vor 10 Jahren ungalant als Piefke betitelte – obwohl ich ein hübsches Sümmchen in seinem kleinen Laden ausgegeben hatte ist nicht mehr da. Dort ist jetzt ein Laden mit der gleichen Warengruppe, mit Verkäufern, die wissen, dass ihre Stadt im Wesentlichen vom Tourismus lebt und die eine entsprechende Weltgewandtheit an den Tag legen.

    Frankreich ist für mich eines der Länder, in denen sich der „regionaltypische“ Konsum noch weitgehend erhalten hat. Aber ich konnte dem ehrlich gesagt wenig positives abgewinnen. In Frankreich (außerhalb von Paris) vier Wochen lang keinen gescheiten Milchkaffee zu bekommen, war echt die größte Strafe bei unseren Frankreichreisen. Ok, der Paris-typische Cafe au lait aus der großen Tasse, hat es wohl nicht aus der Hauptstadt in die Provinz geschafft und die Franzosen vermissen offenbar nichts, denn Starbucks o.ä. gibt es – außerhalb von Paris und außerhalb des Eurotunnel-Bahnhofes – auch nicht. Wir haben bei der Rückreise nach Grenzübertritt den Starbucks in Freiburg geradezu abgöttisch geliebt. Endlich wieder vernünftiger Kaffee. Die Art regionaltypischer Konsum auf die ich in Frankreich ebenfalls gut hätte verzichten können sind die mürrischen Kellner, wenn man ein Lokal betritt ohne reserviert zu haben. Es hat zwei tage gedauert bis wir kapiert haben, dass man vor dem Lokal stehen und einen Tisch für in 10 Minuten telefonisch bestellen kann und freundlichst behandelt wird, indem man gestern noch (die ganze Zeit über) angegrantelt wurde, weil man es wagte, das hochwohlgeborene Etablissement ohne Reservierung zu betreten.

    Dass es in Deutschland Typen gibt, die stolz auf den Zufall sind, hier geboren zu sein, ist leider so. Dass diese armen Wichte nichts weiter haben als ihre „nationale Identität“ (was um Gottes Willen ist das außer einer eingebildeten Krankheit?) hat m.E. sicher nichts mit disruptivem Handel zu tun. Dass Menschen zukünftig ihre Identität nicht mehr mit Regionalen „Wurzeln“ (Menschen haben keine Wurzeln, nur Bäume haben Wurzeln) verknüpfen scheint mir eher erstrebenswert als irgendeiner Kritik zugänglich. Heimat ist m.E. kein Ort, keine Region, kein Land.

    1. Lieber emden09, ich hab mich möglicherweise nicht „konkret“ ausgedrückt: das Schwinden der (auch) regionalen Vielfalt hin zu globalisierten Standardisierung reißt ein Loch hinein. Eben genau das „Es-sieht-überall-auf-der-Welt-gleich-aus“. Das ist der Nährboden. Was die menschliche Vielfalt im noch vorhandenen stationären Einzelhandel betrifft, ist das absolut korrekt. Und auch korrekt erachte ich, dass die Metapher der Wurzeln, weil eine von oben nach unten, nicht angebracht ist – aber nunmal eingeführt und seit Jahrtausenden verwendet wird. Gerade in diesen Zeiten…

    2. Lieber emden09, so gut Dein Beitrag formuliert, so nachvollziehbar er teilweise ist und so sehr ich anfangs versucht war verstehend zu nicken… so wenig kann ich am Ende dessen Essenz zustimmen. Du bist also gelernter und bereister Buchhändler. Und prompt bemerke ich, dass sich in mir während des Lesens ein positives Vorurteil Dir gegenüber breit machen wollte. Mich deuchte, Du müsstes belesen und reflektiert sein, ein überdurchschnittliches Verständnis für das globale Zusammenspiel von Ursache(n) und Wirkung(en) haben. Was mir jedoch beim Weiterlesen widerum als unberechtigte Vorannahme erschien. MEIN Fehler.

      Auch ich bin in meinem Leben bereits durch Frankreich getourt, habe in spanischen Bettenburgen so wie auch in afrikanischen Townships und Minenarbeitersiedlungen übernachtet. In Südafrika kaufe ich auch kein Sauerkraut. Sondern Biltong. Und habe mich hierzulande wie anderenorts über so manches ärgern dürfen. Jedoch nie über die Abwesenheit von Starbucks. Ich würde ohnehin kein solches betreten. Es sei denn, einE FreundIn würde unbedingt mit mir dort hin wollen. Meinen Kaffee mache ich mir sonst selbst. Ob zuhause oder (für) unterwegs. Statt Tonnen von Coffee-to-go-Müll zu produzieren. Wenn das mal nicht gehen sollte, überlebe ich auch OHNE Kaffee. Könnte ich das nicht mehr, wäre das Sucht. Die ultimtative Un-Freiheit.

      Wer ein Starbucks Outlet „abgöttisch liebt“, also somit weltweite Einfalt statt Vielfalt liebt, muss – verzeih‘ die gewollte Provokation zum Nachdenken – wohl zuerst etwas Einfalt im eigenen Innenleben kultiviert haben. Vielleicht auch etwas Verdrängungskunst um seine – globalisiert durchaus verkaufsfördernd gewollte – Ichbezogenenheit nicht (mehr) ausreichend spüren zu können. „Ich will aber!“ Und zwar immer und überall dasselbe. Wer so von Gleichheit abhängig ist, ist nicht mehr frei genug, um Diversität wirklich wert zu schätzen. Und behindert seine eigenes Dazulernen (die Diversität der Erfahrungen in austauschbaren Filialen desselben Unternehmens sind recht begrenzt). Zudem sich und seine bisherigen Erfahrungen zu hinterfragen. Selbst. Er schadet somit sich und der eigenen Umwelt. Selbst. Eigentlich könnte er dann ja auch zuhause bleiben. Wo doch überall eh alles gleich aussieht, riecht und schmeckt?

      Und was genau ist ein multinationaler Konzern? Eine steuervermeidende Wirtschaftsmacht, die zudem auch politisch im Strippenziehen nicht zu unterschätzen ist. Wessen Wohlergehen ist in deren Interesse? Deines? Oder nur deren eigener Shareholder Value? Wer ist Weltmeister in der Verpestung der Umwelt, der Umgehung von Regularien? Wer killt mehr Bienen, Böden, Lüfte und Arbeitsrechte, wenn es nur dem eigenen Dax Index dient? Der kleine Laden um die Ecke? Mir ist auf jeden Fall eine Shop-Inhaberin, die sich noch für die „OP von Opa Franz“ interessiert (der als Stammkunde vermutlich jeden Tag bei ihr kauft) jederzeit lieber als ein, die eigene Wichtigkeit massiv überschätzender, „Kundenkönig auf der Durchreise“. Nix weiter als: „Ich will aber“ (wichtiger sein als Opa Franz).

      Auch Geld ist eine Form von Energie. Wo man sie hinleitet findet Wachstum statt. Wo man sie heraus zieht, finden Schrumpfungsprozesse statt. Unter anderem auch deshalb kaufe ich im Bio-Laden um die Ecke ein, von möglichst lokalen Produzenten. Am liebsten direkt ab Hof. Weil ich mit meinem Geld keinem multinationalen Unternehmen zu NOCH mehr Macht (auch der, Verbraucher NOCH weiter zu verdummen und abhängig zu machen) und Reichtum verhelfen will. Sondern einer lokalen Infrastruktur beim Üblerleben helfe. Während der gleichgeschaltete Mensch erst DANN merkt was die Musik bedeutet die ihm aufgespielt wird, wenn er vom Mittanzen ausgeschlossen wird. Zum Beispiel weil sein Job sonstwohin auf der Welt auslagert wird und er sich wider Erwartens ’seinen‘ Starbucks Kaffee nicht mehr leisten kann. Da fällt mir folgendes Zitat ein:

      „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“ (Martin Niemöller, * 14.01.1892, † 06.03.1984)

      Man könnte auch sagen: Als keine Läden mehr in meiner Stadt gab, ich nicht mehr wusste wie man reife und überreife Avocados von einander unterscheidet, die Arbeitslosenquoten stiegen, weil alle Nahrungsmittel nur noch per Lieferdienst kamen, ich dafür jeden Tag zwei Stunden mehr zwischen Lieferfahrzeugen im Stau stand, dachte ich darüber nach, ob Amazon, Zalando und Starbucks wirklich so eine gute Idee waren.

      Lies doch mal wieder ein wenig. Zum Beispiel zur Abwechslung Harald Welzer, Rob Hopkins oder Colin Crouch. Nix für ungut. Nur no’ne Idee… 😉

      1. Hey Angle,

        du sprichst mir aus dem Herzen.

        Mir ging es bei Lesen des Kommentares von emden09 anfangs genau wie dir. Bis ich merkte, dass mir genau das Freude macht, die grantelnden Kellner in Frankreich, die ich dann mit meiner charmanten Art auf unsere Seite ziehen konnte, die Tante-Emma-Laden-Gespräche mit der Frau vor mir an der Kasse (die mich zwar unter Zeitdruck nerven können, denen ich mich aber auch gerne hingebe, wenn ich Zeit habe), die freudige Erwartung eines Produkts, das ich nicht kenne, aber gerne probieren möchte …

        Und was mir definitiv nicht fehlt, ist eben jener Konformkaffee, die Pommes von McDonalds, die überall gleich schmecken und auch die Ausrede, ich möchte nachts meine Einkäufe machen und da haben nun mal keine Läden auf. Ist es denn nicht möglich, seine Zeit entsprechend einzuteilen? Es war ja auch lange Zeit möglich, Samstag bis mittags seine Einkäufe zu machen – damals, als die Läden noch mittags zugemacht haben, lang lang ist’s her! Jetzt sollten sie möglichst rund um die Uhr aufhaben. Gibt es deshalb mehr Arbeitsplätze? Nein! Die Stunden wurden halt „umverteilt“. Es wird nämlich deshalb, weil ein Laden länger geöffnet, nicht mehr konsumiert, nur zu anderen Zeiten!

        Klar, Zeit im Wandel, früher war auch nicht alles besser. Aber ein bisschen menschlicher vielleicht. Und vielleicht sollte jeder mal für sich selbst schauen, ob er die Welt nicht ein kleines bisschen besser machen kann, indem er sein Konsumverhalten überdenkt. Ich für meinen Teil habe drei Kinder und ich möchte ihnen gerne die Welt so hinterlassen, dass sie lebenswert ist. Alles richtig zu machen, ist sicher nicht möglich. Aber ein kleines Stück? Sollte jedem – bei genauem Reflektieren – schon gelingen. Aber das setzt eben eine gewisse Selbstreflektion voraus und nicht nur das „ich will aber“!

      2. Hey Andrea,

        auch ich habe drei Kinder, mittlerweile erwachsene. Wir haben die Pflicht für alle nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen. Eine, in der Selbstdenken noch eine echte Option ist. Ob in Sachen Ernährung oder Politik.

        Stimmt. Früher war nicht alles besser. Nur weniger von der eigen(tlich)en Natur entfremdet. Es ist auch beileibe nicht so, dass ich fanatisch nie etwas im Internet bestellen oder nie Ungesundes essen würde. Im Gegenteil. Ich lebe im Hier und Heute, versuche genau das aber mit eingeschaltetem(!) Gehirn zu tun. Wir haben immer Konditionierungen im Kopf! Früher halt nur andere. Unsere Hirne haben nämlich eine linkshemispärische Funktion, die sich „Interpreter“ nennt. Dieser Bursche hat die Aufgabe unsere Glaubenssätze zu harmonisieren – damit wir uns möglichst oft gut und „richtig“ (also im Recht) fühlen. Wie tut der das? Indem er Beweise für genau DAS sucht, was wir ohnehin schon glauben. Und da es meist 50 Mio. Beweise DAFÜR und 50 Mio. DAGEGEN gibt, er aber nur nach denen für „dafür“ sucht… wird er auch ausnahmslos fündig. Den zu überlisten (sich also NEUES zu er-leben) geht nur, wenn man gezielt, gewollt und bewusst den eigenen Suchscheinwerfer in die andere Richtung lenkt.

        Unser Gehirn lebt nahezu von seinen energiesparenden Konditierungen. Es baut sich daraus Autopiloten (Gewohnheiten), ohne die wir nicht mal unfallfrei über die Straße kämen. Was wir nur oft genug hören (sehen, riechen, schmecken, fühlen) nehmen wir als (einzig) wahr wahr. Über 2.000, in unser Unterbewusstsein eindringende, Werbebotschaften pro Tag und Nase können nicht ohne Effekt auf uns bleiben. Sie konditionieren uns genau solange, bis wir sie gewollt und gezielt hinterfragen. Und ihnen gesundes Misstrauen entgegen bringen. Hat man einmal kapiert was und warum da läuft, verlieren sie an Macht, können ab dann sogar das Gegenteil des Gewollten bewirken. Was wiederum eine Selbstkonditionierung darstellt. Aber diesmal eine im eigenen, statt im Interesse von multinationalen, institutionalisierten, automatisierten (und damit auch entmenschlichten) Wirtschaftsunternehmen.

        Mit dem gedankenlosen Agieren in deren Sinne bemerkt man schlicht nicht mehr (schönen Gruß vom Interpreter! ;-)), dass man auf jeder nur denkbaren Ebene Selbstschädigung betreibt. Wer die eigene Produktion der eigenen Nahrung völlig unreflektiert dem Weltmarkt überlässt, mit seinen Konsumgewohnheiten die Erzeuger in seiner Nachbarschaft mithilft auszubluten, wird, wenn aus welchen Gründen auch immer kein Nachschub aus dem Ausland mehr ankommen sollte, schlicht keine lokal produzierte Nahrung mehr vorfinden. Wie schlau kann das sein?

        Zudem: Heute gelten genau DIE Nahrungsmittel als „normal“, die auf totgedüngten Böden unter Einsatz von, bereits chemisch behandeltem, Saatgut unter weiterem Herbizid-, Insektizid- und Fungizideinsatz zur „Genussreife“ gelangen. „Bio“ hingegen wird derzeit eher als Nische betrachtet. Wird von vielen Normalverbrauchern noch als „Ökokram“ belächelt. Schaut aber man mal ernsthaft auf 10.000 Jahre menschlichen Ackerbaus zurück, was ist DANN Normalzustand“? Und was ist DANN das „Abweichlerische vom evolutionären „Sollzustand“? Genau. Das giftstoffstarke und nährstoffverarmte Zeugs, dass heute als „Standardnahrung“ angesehen wird. So gesehen stopfen sich Milliarden Menschen freiwillig jeden Tag un-normales, un-natürliches, wert-loses Zeugs in den Körper. Interessant finde ich auch, dass ich mittlerweile kaum noch Fast Food mehr vertrage. Mein Bauch zeigt mir ’nen Vogel, wenn ich besagte Mc Burger esse. Mein Bauch ist längst auf Naturstandard konditioniert. 😉 Mein Fast Food heute? Weck-Gläser mit Selbstgekochtem. Einmal viel kochen statt viermal nur für meinen Mann und mich. Macht keine Mehrarbeit, ganz im Gegenteil. So könnte ich auch nachts um 3h in meiner eigenen Vorratskammer einkaufen. Wenn die Kids sie nicht ausräubern kommen. 😉

        Bin ich so viel weniger „Interpreter-Opfer“ als meine Mitmenschen? Nö. Schade aber auch! 😉 Als meine Tochter vor Jahren als Studentin anfing „bio“ einzukaufen, habe auch ich erst mal mit Unverständnis reagiert. Wer wenig Geld hat, solle doch etwas preisbewusster einkaufen, war meine damalige Ansicht. Erst nach dem Beiseiteschieben der eigenen jahrzehntelangen Konditionierung konnte ich klarer sehen. Man findet halt keine Antworten auf Dinge, die man sich gar nicht erst fragt. 😉

      3. Oh ja, liebe Angle, danke für deine Antwort.

        Und natürlich, jeder wird auf seine Art und Weise im Hier und Jetzt ankommen. Ist ja auch gut so!

        Der Konsum von hin und wieder fast food (wobei es mir ähnlich geht, mein Magen mag das überhaupt gar nicht mehr) und auch mal eine Internetbestellung (mein Sohn trägt Schuhgröße 47,5 und aus Ermangelung eines entsprechenden Ladens in der Innenstadt MÜSSEN wir das sogar online bestellen, denn sonst müsste er barfuß Basketball spielen …) ist aus meiner Sicht tatsächlich unter gewissen Umständen vertretbar.

        Dieses völlig unreflektierte Verhalten aber, dieses „Was soll ich als Einzelner denn dagegen machen?“ macht mich immer wieder fassungslos. Nein, ich muss meinen Kaffee nicht im Einwegbecher to go mitnehmen und schon gar nicht von einer tollen Kette, damit er gleich schmeckt wie in München, Köln, New York oder London. Und ich sollte mich dann tatsächlich fragen, ob es wirklich nötig ist, diesen Müll zu produzieren. Und ob ich den Kaffee nicht auch zuhause hätte trinken können oder in diesem netten kleinen Café an der Ecke.

        Es ist ein hartes Stück Arbeit, Menschen – auch die der eigenen Familie – davon zu überzeugen, dass, auch wenn es theoretisch möglich ist, eben nicht jeder leben kann wie er will. Und es nicht mit dieser lustigen „Nach mir die Sintflut“-Einstellung getan ist.

        Klar, dieses Öko- und Biozeugs ist teurer. Aber warum muss ich alle paar Wochen zum Shoppen und mir irgendwelche billigen Klamotten kaufen, die erstens schnell kaputt gehen, zweitens superschnell aus der Mode kommen und drittens so hergestellt werden, wie ich mir das gar nicht vorstellen kann?

        Der Aufschrei ist immer groß, wenn wieder mal ein Bericht irgendwo im Fernsehen kommt, über Gifte in den Nahrungsmitteln und Textilherstellung in Bangladesh etc.. Aber beim nächsten Einkauf ist doch alles wieder vergessen, Hauptsache günstig! Und ich als Einzelner, was soll ich schon ändern? Das wird doch sowieso produziert …

        Eigentlich bin ich gar nicht der große Kommentator, aber bei diesen Themen sehe ich zwischenzeitlich rot!

        Einen schönen Tag noch!

      4. P.S.: Da das in meinem langen philosophischen Exkurs etwas untergegangen ist, 😉 will ich’s noch mal deutlicher zum Ausdruck bringen. Andrea, auch Du sprichst mir mit Deinem Beitrag voll aus dem Herzen. Bei fast jedem Einkauf lege ich daher Wert darauf an der Kasse ein paar persönliche Worte zu verlieren. Und sei es nur ein kleiner Witz, oder einen Hauch Charme. Der für meine Ernähung schwer arbeitende, und oft unterbezahlte, Mensch an der Kasse (oder eben der brummelige Kellner) soll ja ebenfalls Spaß an seiner Arbeit und an seinem Leben haben. Und ein bisschen Menschlichkeit ist die Mindestvorraussetzung dazu.

    3. Da hat aber jemand schlechte Erfahrungen im Service-Bereich gemacht!

      Ich bin sicherlich auch schon mal nicht „kundenorientiert“ behandelt worden – das lag aber niemals an der ethnischen oder regionalen Herkunft meines Gegenüber.

      Als Gastronom seit 2 Jahrzehnten habe ich gelernt: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Und jeder noch so mürrische Kunde hat bisher mit einem Lächeln unsere Läden/Stände/events verlassen.

      Und wer Starbucks-Kaffee als qualitativ hochwertig bezeichnet, der ist leider schon längst Opfer der von Sina beschriebenen Einheitsbreierei geworden. Sicherlich ist alles eine Frage des individuellen Geschmacks – aber wenn mir ein 7-Jähriger auf dem „Erdbeeren-zum-selber-pflücken-Feld“ entgegnet, es handele sich hierbei gar nicht um Erdbeeren weil die in seinem Erdbeerjoghurt ganz anders schmecken dann sollten wir uns tatsächlich mal Gedanken über Industrie machen – und das nicht nur im Essen…..

      Wer heute nachhaltig und mit möglichst kleinem ökologischen Fußabdruck leben mag, findet schnell die Grenzen: allein bei Kleidung…. Da werben die Firmen mit GOTS etc. aber die Baumwolle in Europa kommt dennoch zu 99% aus der Türkei, einem totalitären und mit unserer Weltanschauung eigentlich nicht zu vereinbaren Regime…… Hmmmm, und nun?
      Und die ganzen Outlet-Center protzen und buhlen mit „über 150 Geschäften“ – aber nicht eines (also KEINS, 0, NIENTE) führt nachhaltige Mode…

      Ich denke, jeder wird für sich selbst entscheiden (müssen) welche Einbußen er/sie in Kauf nimmt.

      Ich bin da ganz auf der Seite derer, die sich in fremden Städten eben NICHT zu Hause fühlen wollen, weil es das zum einen nicht gibt und zum anderen der Flair der fremde erst ein wohliges Fernweh entfacht….. Warum sollte ich denn sonst in den Urlaub wollen?

      1. Lieber Carsten, auch Dir kann ich nur zustimmen. Das Dumme ist nur bei dem ‚jeder für sich selbst entscheiden‘, dass leider nicht nur der jeweilige ‚jeder‘ die Konsequenzen seines unökologischen Handelns wird ausbaden müssen.

        Daher ist umso wichtiger, dass jeder Mitdenker (statt Mitläufer) diese Dinge auch öffentlich sichtbar diskutiert, auf dass andere dies als Gedankenanregung für sich selbst nutzen können. So wie Sina das schon lange so inspirierend tut. So wie auch jeder, der hier oder anderswo seinen Senf in Form von Selbstdenkereien dazu gibt.

        Selbstdenken muss man sich schließlich erst mal trauen! Es gehört nicht wenig Mut dazu, eigene bisherige Denk- und Handlungsweisen kritisch zu hinterfragen. Verdrängung vermeidet Schuldgefühle und die Erkenntnis, dass oft doch erst ‚Fehler‘ echtes Dazulernen ermöglichen. Selbstreflektion ist halt nix für nix für Feiglinge. Oder anders ausgedrückt: Nur die Harten kommen in’n Garten. 😉

    4. @emden09, während Sie am Anfang noch Menschen in den Vordergrund stellen, machen Sie im letzten Absatz das Gegenteil, man spürt ihre eigentliche Verachtung von Menschen. Solche Menschen wie sie sollten nicht über Bücher und den Handel urteilen. Zalando und Co gehen mit großen Verlusten. Wie bitte soll sich jemand, der von seinem Geschäft leben muss da gegen halten? Wieder etwas was zeigt, dass Sie Menschen verachten. Aber denke Sie daran, wer mit einen Finger auf andere zeigt, der zeigt mit 3 Finger auf sich selbst. …..

  4. Hier die bösen „Heuschrecken“, dort der gute „regionale Hersteller“ – diese gedankliche Spaltung des Kapitals in ein böses, raffendes und ein gutes, schaffendes ist selbst national-soziale und damit rechte sowie für den Antisemitismus offene Denke.

    1. Das kommt deinerseits erst mal nur als wenig reflektierte, mit Verlaub: eher „trollig“ anmutende, reine Behauptung daher, lieber Tom. Zumindest, bist Du Dir auch die Mühe zu machen bereit bist zu erklären, wie Du überhaupt auf dieses schmale Brett gekommen bist.

      Zumal hier wirklich niemand (!) von „bösen Heuschrecken“ gesprochen hat. Sondern z.B. von multinatíonalen, institutionalierten, automatisierten und daher ein ganzes stückweit „entmenschlichten“ Unternehmen. Was tausendfach bereits wissenschaftlich bewiesener FAKT ist. Es gibt reihenweise Studien dazu.

      Diese Entmenschlichung trifft Manager wie Beschäftigte gleichermaßen. Es ist ein sich selbst erhaltendes System geworden, dass mit seinem Erfolgsdruck durchaus auch diegenigen subtil terrorisiert, die es miterschaffen haben. Unter Managern besteht statistisch gesehen z.B. eine 80% Wahrscheinlichkeit, dass ihre Ehe scheitert, sie ein höheres Herzinfarktrisiko haben etc.

      Kleinere Unternehmen sind überschaubarer, besser für die sensorische Aufnahmekapazität menschlicher Gehirne geeignet, sind flexibler, und manövrierfähiger. Versuche mal eine weltumspannende Anpassung bei sagen wir Siemens, Shell oder BMW durchzuführen. Die Beteiligten können sich in kleinen Unternehmen viel eher ein lebenswichtiges, menschliches Bedürfnis erfüllen, mit dem bereits alle Babys der Welt geboren werden (deutsche, jüdische, arabische, afrikanische, australische, welche auch immer) : Nämlich einen unmittelbar spürbaren Einfluss auf ihr eigenes Leben nehmen zu können. Versuch‘ das mal als Amazon-Packer.. Dein Arbeitsumfeld auch nur ein Mü Deinen tagesaktuellen, menschlichen Bedürfnissen anzupassen. Da kriegst Du laut entsprechendem Bericht darüber, bei 3 min. verspätet aus der Mittagspause Kommen bereits eine Abmahnung.

      Was das nun mit Antisemitismus zu tun haben soll, ist mir vollkommen schleierhaft. Sind die Vorstände aller multinationalen Unternehmen der Welt etwa ausnahmslos Juden? Das wäre mir tatsächlich neu. Davon ab, kannst Du ja gerne an „gute multinationale Konzerne“ glauben, wenn Du das so gerne möchtest. NOCH ist das hier ja ein freies Land. Und damit das auch so bleibt, sollten sich m.E. JEDES Land der Welt eine eigene, gesunde, nachhaltige Infrastruktur erhalten oder aufbauen. In Sachen Nahrungsmitteln sowieso, in möglichst vielen anderen Bereichen ebenfalls. Auch das unsere. Was an der immer größer werdenden Abhängigkeit von Größtunternehmen nun so unendlich frei machen soll (auch von Antisemitismus) ist mir nämlich ebenso schleierhaft.

      1. „damit das auch so bleibt, sollten sich m.E. JEDES Land der Welt eine eigene, gesunde, nachhaltige Infrastruktur erhalten oder aufbauen“ – Das Kapital sprengt aber die nationalen Grenzen, daher ist Deine Vorstellung „nachhaltiger“ nationaler Volkswirtschaften im globalisierten Kapital-ismus völlig illusorisch. Die Forderung nach autarken wirtschaftlichen Räumen ist regressiv antikapitalistisch und dann offen für strukturelle Antisemitismus wenn personalisiert und unterstellt wird, Manager und „Heuschrecken“ (dieses Wort wurde im Blogbeitrag benutzt) verhinderten eine „nachhaltige“ Entwicklung und nicht die Struktur des globalisierten Kapitalismus und real existierenden Neoliberalismus, innerhalb deren Manager auch bloße Charaktermasken, um es mit einem Marx’schen Begriff auszudrücken, sind.

      2. Hast Du auch anderes zu bieten als idiologische Worthülsen? Scheinbar nicht. Dass das Kapital nationale Grenzen sprengt, ist mir so klar wie dicke Tinte. Aber frag Dich zur Abwechslung mal: Ist das auch GUT so? Und wenn, für WEN? Und wenn NICHT, sollte man nicht wenigstens mal über Alternativen (statt abgewetzten Idiologien) nachdenken? Von Autarkie und vollständigen Insellösungen für Staaten rede ich gar nicht. Nur von vernünftigem Handel(n) und dem Versuch des Nichtabsägens des Astes auf dem man sitzt. Sowie von Eigenverantwortung für eigenes Handeln.

        Illusorisch? Was ist nicht alles bereits als „dumm und illusorisch“ akzeptiert gewesen? Dass die Erde rund ist, dass jemals Sklavenbefreiung, Frauenwahlrecht, Spaziergänge auf dem Mond stattfinden und, dass es Kommunikatoren, Holodecks und künstliche Intelligenz für alle Zeiten nur auf dem Raumschiff Enterprise und im Fernsehen geben würde. Du hast sicher längst ein Smartphone. Auch bereits eine Datenbrille? Oder vielleicht auch eine Alexa, die unter Deinem Namen rechtswirksame Verträge nach dem Fernabsatzgesetz u.a. mit Amazon oder Zalando abschließt?

        Was definitiv weder illusorisch noch von jedweder bloßen Idiologie beeinflussbar ist: Wenn wir uns weiter auf der Illusion ausruhen, dass auf einem endlichen Planeten unendliches Wachstum möglich sei, ist eben jener in nicht allzu ferner Zukunft berechenbar am Ende. Und mit ihm Du, ich,Manager wie Straßenkehrer. Unabhängig davon, wer welche Charaktermaske nun tragen mag oder nicht.

        Welcher Idiologie Du persönlich das gern zuordnen möchtest, ist mir wurscht. Ich persönlich halte nichts von Ideologien, Religionen oder sonstigen Denkschubladen/-blockaden, die es einem erleichtern das Denken anderen zu überlassen. Dafür halte ich umso mehr von Wissenschaft, Studien, Psychologie, Geschichtslektionen und… Selbstdenken. Besonders gern über den Tellerrand hinaus, mit der Umsetzung des daraus Abgeleiteten, z.B. Änderung des eigenen Einkaufsverhaltens. Statt nur über die Schlechtigkeit der Welt zu jaulen.

        Hass (auch Antisemitismuss, Fremdenhass etc.) basiert übrigens meist auf Angst. Existenzangst, Zukunftsangst, Perspektivlosigkeit. Diese Angst sammelt sich nur unter idiologischen Hüten, die passende Ausreden liefern und – wieder mal – das Denken abnehmen. Sie entsteht am leichtesten dort, wo Menschen sich ihrer Lebensgrundlage beraubt oder diese bedroht sehen, z.B. weil mal wieder irgendein multinationaler Moloch aus – ihnen unverständlichen, von ihnen unbeeinflussbaren – Gründen ihre Heimatregion ausblutet. Durch z.B. Verlagerung von 1.000, durchaus produktiven, Arbeitsplätzen ans andere Ende der Welt. Aus rein firmenpolitischen Gründen. Wenn der Bäcker nebenan, die Landwirte der Umgebung u.v.m. aufgeben müssen, weil Riesenabnehmer einen Milchpreis diktieren, der unterhalb der Erzeugungskosten liegt. Wozu das langfristig führt weiß jeder. Oder zumindest jeder der noch selbst denkt und zudem weiß, dass Geschichte in Wellen von Ursachen und Wirkungen stattfindet.

        Und nun werde ich meine Zeit Wichtigerem widmen als jemandes idiologischen Sprechblasen. Ciao Bello. Kannst Dich ja allein beschäftigen, z.B. hiermit:

        https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama_die_reporter/Zurueck-im-Osten-Was-ist-in-meiner-Heimat-los,sendung760848.html

        https://www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/deutsche-einheit-bericht-gleicke-ostdeutschland-osten-westen-100.html

        https://www.mdr.de/sachsen/dresden/siemens-schliesst-werke-in-goerlitz-und-leipzig-100.html

        http://www.ardmediathek.de/tv/Gut-zu-wissen/Meeresspiegel-steigen-schneller-an-als-e/BR-Fernsehen/Video?bcastId=48988006&documentId=50487506

        https://de.statista.com/statistik/daten/studie/659012/umfrage/selbstversorgungsgrad-mit-nahrungsmitteln-in-deutschland/

        http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2017-10/insektensterben-fluginsekten-gesamtmasse-rueckgang-studie

        https://www.foodwatch.org/de/informieren/bio-lebensmittel/mehr-zum-thema/zahlen-daten-fakten/

        https://de.wikipedia.org/wiki/Untergang_des_R%C3%B6mischen_Reiches

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