Sportbekleidung: Natürlich geht es ohne Plastik!

Mir ging es beim Laufen wie mit Yoga und Pilates: Ich fand es doof. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem mir die wahre Faszination dieser Sportarten offenbart wurde. Es tut gut. Macht den Kopf frei. Nebenbei verlor ich 70 Kilogramm und gewann Lebensfreude. Nur die passende Bekleidung fand ich nie, denn „irgendwas in natürlich“ gab es nicht. So war ein neues Projekt geboren: froudsidesportsKleidung, von Natur aus funktional.

Vor fünf Jahren noch bewegte ich mich, hocheffizient: Wenn überhaupt, nur von A nach B. Geradewegs das Nötigste. Nie einen Schritt zu viel und schon gar keine Extrameter, die vermeintlich zum Spass gelaufen werden. Begeisterte Läufer begegnete ich mit einem Lächeln – und Hecheln. Denn: 130 kg durch den Alltag schieben, ist – ach, ich möchte mich nicht mehr daran erinnern. Aber, für euch habe ich das gerne nochmal aus dem Nähkästchen geholt. So sah mein Zustand aus:

Hätte mir jemand damals erzählt, dass ich drei Jahre später einen Ultra (100 km am Stück laufen würde), ich wäre lachend vom Stuhl gefallen. Das Ende: Ich lief ihn. Und bin seitdem passionierter Läufer. Ohne Trainingsziel, aber mit Freude. Das einzige, was mich als ebenso leidenschaftlicher Textiler stets verärgerte, war das mangelnde Angebot an ökologischer Sportbekleidung.

Mein aktueller Baselayer sind ein paar Kilo Winterspeck und Resultat aus einer längeren Laufpause, die ich krankheitsbedingt einhalten musste, nun aber geht es für mich wieder richtig los mit dem Laufen. Und somit auch mit meinem absoluten Lieblingsprojekt: froutdsidesports.

Warum froutsidesports?

Der Name war für mich schnell gefunden: Ich startete meine Laufrunden auf Instagram (manomama) unter dem Hashtag #freeisoutside – meinem Motto, denn draußen ist man frei. Beim Laufen ist man frei. Es genügen Schuhe und ein wenig Motivation. Kurzerhand entstand dadurch die Abkürzung froutside.

Eingeschweißt in Plastik

Was auf dem Sportmarkt an Bekleidung zu haben ist, hat mich in zweifacher Hinsicht zum Nachdenken gebracht. Zum einen ist es mein persönliches „Problem“: wer einst richtig was auf den Rippen hatte, kann sich nur schwer mit neongelben Kompressionssocken, leuchtrosa Laufleiberl und sonstigen grellen Ausflügen der Sportsdesigner anfreunden. Das deutlich größere Problem sah und sehe ich jedoch darin, dass wir bei aller Komfortliebe Ökologie und Umweltverträglichkeit gänzlich ausblenden. Wir rennen begeistert durch Wald und Wiese, kurzum durch unsere wunderbare Umwelt, und das in einer Form, gegen die wir klar Stellung beziehen: eingeschweißt in Plastik. Völlig verrückt. Völlig inkonsequent.

Natürlich hat Polyester einen großen Vorteil: das schnelle Abtragen der Feuchtigkeit nach außen. Luftströme, die durch die Bewegung entstehen, lassen den Schweiß schnell trocknen. Leider ist Schweiß aber nicht nur Wasser. Schweiß sorgt dafür, dass sich Geruchsmoleküle und Salze ebenfalls an die Textiloberfläche gelangen. Gegen die weißen Ränder können wir Textiler nichts machen, den Geruch binden wir mit „schönen“ chemischen Komponenten. Oder gehen gleich in den Apothekerschrank der Raumfahrt: nano-Technologie. Waschen wir dann unseren Polyester- oder Polyacryl-Pullover (übrigens auch den aus recycelten Fasern), gelangen unzählige Mikroplastikpartikel ins Abwasser. Mikroplastik finden wir heute selbst in unserem Trinkwasser. Verbraucherschützer fordern seit Jahren ein Verbot von Mikroplastik in Hygiene- und Kosmetikartikeln. Konsequenterweise müssen wir auch in unserer Kleidung umdenken und langlebige Polymere nutzen, die aufgrund ihrer Form keine Plastiklartikel ans Abwasser abgeben. Und, am besten: Plastik vermeiden, wo wir es nicht benötigen. Ich nämlich habe noch keinen Wal verenden sehen, der den Bauch voller Schurwolle hatte, keine Schildkröte sterben, die in einem Netz von Naturfasern gefangen war.

Altes Wissen modern interpretiert

Schurwolle, Baumwolle und Viskose – diese drei Fasern, zwei natürliche sowie eine synthetische, botanischen Ursprungs, nahm ich als Basis für meine Überlegungen. In reiner Schurwolle begann ich die ersten Versuche. Die Erzählungen meines Faserpapstes bewegten mich dazu. Schurwolle ist eine Hohlfaser. Dies bedingt, dass sie, eng getragen, einen Luftpuffer zwischen der eigenen Haut und der Umwelt installiert. In gleicher Weise, wie wir Häuser dämmen, schützen wir unseren Körper vor Temperaturverlust. Und nun kommt das Tolle: selbst, wenn die Hohlfaser pitschnass ist, also komplett durchnässt, sei es durch Regen oder eigenem Schweiß, funktioniert die Barriere ebenfalls. Taucher kennen den Effekt bei Neoprenanzügen: erst, wenn sie komplett mit Wasser vollgesogen sind, wärmen sie. Das kann kein Polyester. Hier nämlich wird die Feuchtigkeit immer oberflächlich sein und genau das Gegenteil erwirkt: uns beginnt es zu frieren, wenn wir aufhören, zu laufen, das Leiberl aber noch nicht getrocknet ist.

Ehrlich gesagt, waren die Ausführungen meines Faserpapsts ein bisschen zu überschwänglich, und trotzdem traute ich mich, von Kopf bis Fuß in reiner Schurwolle am Start meines 100-km-Ultras zu stehen. Meine Mitstreiter hatten Wechselkleidung für jede Witterung dabei, Jäckchen, extra Socken. Ich: nichts, als das am Körper getragene. Ein kurzes, sehr dünnes T-Shirt, darüber ein langärmeliges, dickes mit Reißverschluss. Darunter eine ebenso dichte Leggins und Kompressionssocken. Selbst die dünne Mütze war aus Schurwolle. Erst beim Zieleinlauf sollte ich erfahren, dass mir diese augenscheinlich mutige Entscheidung das Gelingen garantierte. Mitten in der Nacht begann es, aus Kübeln zu schütten, sodass am frühen morgen, als der Regen nachließ, zahlreiche Läufer ihre nassen Überziehklamotten wieder verstauten und schwer trugen. Viele wechselten auch Hose und Socken – und kamen nicht mehr in ihre Schuhe. Die geschwollenen Füße wollten nach 70, 80 km nicht mehr in den Schuh gezwängt werden. Ich hingegen lief, und lief in angenehmer Wärme, die weder bei trockener Witterung noch im Regen sich veränderte.

Kilometer 37 von 100: und Spass dabei! (Mai 2017)

Was ich aus dem 100KM-Lauf gelernt habe

Nach dem Lauf war klar: Schurwolle ist gesetzt. Nun ist Schurwolle jedoch nicht gleich Schurwolle. Es macht keinen Sinn, die hochwertige Faser wieder mit Beschichtungen zu versehen, um sie beispielsweise trocknergeeignet zu bekommen. Diese Hausaufgabe gab ich meinem Faserpapst, sich um ökologische Alternativen zu kümmern, die Schurwollfasern waschbar machen, ohne sie zu filzen. Ich kümmerte mich währenddessen um das Material an sich, denn Wolle deutscher Schafe kann man schlichtweg nicht nehmen. Die Faserstärken wären viel zu kräftig und keiner von uns wollte ein Schurwoll-Tshirt aus bayerischer Landmerino tragen – es würde uns jucken und kratzen. Auch kam für mich nur Schurwolle aus kontrolliert biologischer Tierhaltung infrage. Herkömmliche Wolle wird teilweise unter widerlichen Um- und Zuständen erzeugt. Flieger mit Lauge kreuzen über riesige Heerden und laugen die armen Viecher einfach ab. In Australien und Neuseeland wird den Tieren die Haut rund um den Schwanz entfernt, um einen Befall mit Insektenlarven zu unterbinden. Man nennt das Mulesing, ich nenne es widerlich. Deshalb war wichtig, Schurwolle aus kontrolliert biologischer Tierhaltung zu finden, die den technischen Anforderungen gerecht wird, und viel wichtiger, den Tierwohl-Anforderungen. In Südamerika bin ich fündig geworden.

Der Mix macht den Unterschied

Nun ist Schurwolle eine hochfunktionale, wunderbare Faser, die respektvoll eingesetzt werden muss. Für eine einfache Trainingsrunde, einen legeren Lauf oder aber auch für diejenigen, die Fasern tierischen Ursprungs ablehnen, begann ich, weitere Tests. Wie den gestern. Reine Biobaumwolle nämlich kam für mich nicht infrage, da die Feuchtigkeitsaufnahme und -regulierung im sportiven Bereich outdoor in meinen Augen nicht perfekt ist. Für Pilates und Yoga hingegen bestens geeignet, aber dies nur am Rande.

Gestern war ich nunmehr 6 Grad und Sonnenschein 15 km unterwegs. Die Hälfte der Strecke absolvierte ich in gewohntem Schurwoll-Outfit, die andere Hälfte mit dem Longsleeve, das ich mir am Freitag direkt noch aus den neuen Stoffen genäht habe. Es handelt sich um ein Gestrick aus 100% Viskose. Die Faser selbst wird in Österreich hergestellt und ist aus Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Für die Techniker unter euch: die Oberfläche der Faser ist glatter als die der Baumwolle. Dadurch kann die Feuchtigkeit schneller aufgenommen werden und vermittelt schneller ein Gefühl der Trockenheit. Nach dem Lauf war ich ziemlich begeistert, und ich werden in den nächsten Tagen vermehrt ausschließlich in diesem Material testen. Gerade für die Monate April-Oktober wäre diese vegane Variante ohne tierische Anteile eine exzellente Ergänzung.

Von Natur aus funktional

Wer trotz aller Vorteile immer noch der Meinung ist, man käme an Plastik im Sport nicht vorbei, dem sei das letzte Argument nahegelegt: Schurwolle, Baumwolle und Viskose nehmen Feuchtigkeit im Vergleich zu Plastikfasern sehr effizient auf. Auf Polyester zum Beispiel findet sich eine deutlich höhere Feuchtigkeit an der Faseroberfläche als auf den oben genannten Fasern. Bakterien mögen es bekanntlich schön feucht. Noch Fragen? Wenn wir also uns selbst hygienischer und die Umwelt sauber halten wollen, spricht alles für langlebige und von Natur aus funktionale Sportbekleidung. Und diese entwickle ich für mich, und euch. ❤

13 Antworten auf “Sportbekleidung: Natürlich geht es ohne Plastik!”

  1. Danke für deinen Beitrag. Ich denke da wie du. Allerdings habe ich nun mal die Sportkleidung. Wenn ich Ersatz benötige und bezahlbare Naturkleidung finde, werde ich diese bevorzuge kaufen. In diesem Sinne: viel Spaß beim 🏃

  2. Hallo Sina, ich finde toll, dass Du Funktionskleidung ohne Plastik herstellen willst! Ich habe eine Frage: ich sehe in letzter Zeit oft Werbung für „Wood Shirts“ von wijld, die auch aus Holz hergestellt werden. Hast Du davon schon gehört, und was hälst Du davon?

  3. Bin wirklich sehr gespannt auf die Kollektion; das klingt Alles ein wenig nach der „eierlegenden Wollmilchsau“, und selbst wenn es nur halb so gut ist wie du es beschreibst scheint es mir immer noch revolutionär.
    Danke, Sina, ich freu mich drauf (:

    1. Lieber Ferdinand, klingt eigentlich nicht nach der „Sau“, vielmehr nach „was unsere Großeltern schon wussten“ in Kombination mit „wenn wir öko wollen, müssen wir Umdenken“. Wie gesagt: ich war immer der Meinung, ich müsste immer „trocken“ eingehüllt sein, um perfekt gewärmt zu werden. Das war eine Fehlannahme 🙂

  4. Liebe Frau Trinkwalder, bitte nutzen Sie Ihre Reichweite auf den diversen Social-Media-Kanälen um darauf hinzuweisen, wie wichtig das Volksbegehren Artenvielfalt ist. Es sind nur noch drei Tage und es steht Spitz auf Knopf. Jeder Stimme zählt.Vielen Dank für Ihren Einsatz für Öko-Fasern! https://volksbegehren-artenvielfalt.de/

  5. Hallo Sina,
    toll endlich Sportbekleidung ohne Plastik. Ich fand es immer schon doof, dass ausgerechnet Menschen, die sich viel in der Naturbewegen immer wieder Kleidung aus Kunstfaser anziehen, weil sie technisch „ausgereifter“ ist.

    Der zweite Punkt, der mir immer wieder sauer aufstößt ist die Tatsache, dass es kaum Sportbekleidung in großen Größen gibt.
    Ich selbst trage derzeit Größe 46 und bin sportlich sehr aktiv (wandern, klettern, Schi fahren). Im Moment bin ich auf der Suche nach einer funktinellen Schitourenhose in meiner Größe. Eigentlich wiedersinnig. Da heißt es immer die Menschen sollen Sport betreiben, um gesund und aktiv zu sein und Gewicht zu verlieren und dann bekommen sie nicht das passende Outfit in ihrer Größe. Gerade Sportartikelhersteller schneiden eher klein und produzieren oft nur bis Größe 42.

  6. Liebe Sabine Trinkwälder, kennen sie auch den ziemlich Chemie-mäßigen Herstellungsprozeß von Viskose Fasern? Für mich persönlich ist das ökologisch nicht vertretbar, auch wenn das jeweilige Ausgangsmaterial ein Naturprodukt wie zB Holz ist….
    Funktionskleidung aus Wolle finde ich Spitze!
    Gruß

    1. Ja, kenne ich. Erfolgt die Synthetisierung in einem geschlossenen Kreislauf ist er sehr gut sogar. Wichtig auch, dass das Cellulose-Material von kontrollierten Wäldern stammt, nicht von Plantagen. 🙂

  7. Liebe Sina,
    hört sich megaspannend an.
    Wenn ich Viskose-Strick trage, also T-Shirts etc, habe ich immer das Gefühl keine Luft zu bekommen. Wolle auf der Haut juckt bei mir schrecklich. Würde mich echt interessieren ob ich die Südamerikanische Variante vertragen würde.
    Und Hut ab, dass Du es geschafft hast soviel Gewicht zu verlieren!
    freue mich auf weitere Posts in denen Du Deine Fortschritte in der Produktion vorstellst.
    herzlich Margot, die Judika

  8. Für meine Sportarten Yoga und Tanz komme ich glücklicherweise mit Baumwolle und Viskose zurecht. Aber ein Sport-BH aus natürlichen Fasern wäre mir ein echter Wunsch – vielleicht gibt es sowas dann auch in deiner Kollektion?

  9. Hallo Sina,
    das klingt super …bin in das Jahr mit 115 kg gestartet…, 37 J. & mit 3 Kindern und „klick“ …aktuell bei 107 kg, einfach mehr Bewegung …so soll es weiter laufen. Erst kürzlich las ich, dass du 130 kg hattest ….Respekt und es motiviert mich dann auch noch: wenn du das geschafft hast, dann schaff ich das auch!
    Freue mich sehr auf das neue Buch …wieder was zum Verschlingen. Ich liebe übrigens die dm Stoffbeutel. Sport Kleidung ohne Plastik finde ich super!!! Viele Grüße, Judith

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